Wissenswertes über Zwetschgen

Wissenswertes 

Pflaume oder Zwetschge?

Grob gesagt ist jede Zwetschge auch eine Pflaume. Denn von der „Urpflaume“ Prunus domestica stammen die Unterarten Zwetschge, Reneklode, Mirabelle und Pflaume ab. Steht man vor einem Obststand, der sowohl Pflaumen und Zwetschgen anbietet, kann man den Unterschied zwischen beiden Sorten gut erkennen. Die rundlichen Pflaumen sind farbenfroh – von rot, blau, gelb bis lila sind alle Varianten möglich. Die Zwetschgen kommen dagegen etwas schlichter in der Farbe daher – ein kräftiges Dunkelblau bis Lila zeichnen die länglich-ovalen Früchte aus. Kleine Eselsbrücke gefällig? Pflaume rund und bunt – Zwetschge gequetscht (länglich-oval).
Auch innerlich unterscheiden sich die beiden Früchte. Bei der Pflaume ist das Fruchtfleisch gelb, bei der Zwetschge grünlich. Letztere weist einen höheren Zuckergehalt auf, daher eignen sich Zwetschgen sehr gut zur Herstellung feiner Edelbrände. Und gebacken auf einem Blech (am besten mit einem Hefeteig unter den Früchten) wird der Unterschied noch deutlicher. Die Zwetschgen behalten beim Backen – im Gegensatz zu den Pflaumen – ihre Form und Festigkeit.

Auf kaiserlichen Wegen

Zwetschgenbäume sind so typisch für die fränkische Kulturlandschaft, das man annehmen könnte, sie wären schon immer da gewesen. Doch der Ursprungsort der lila Früchte liegt vermutlich in dem Gebiet des fruchtbaren Halbmondes in Damaskus. Dort „entdeckte“ sie Alexander der Große und brachte sie von seinen Feldzügen mit. Wie die Zwetschge in seinem Gefolge ins griechische Mittelmeergebiet reiste – ob als Frucht, Samen oder Pflanze – ist leider nicht überliefert.
Für den weiteren Weg nach Franken benötigte die Zwetschge wiederum die Hilfe eines „Großen“. Im 8. Jahrhundert ordnete Kaiser Karl der Große die Kultivierung von Obstbäumen – darunter die Zwetschge – an den zahlreichen Königshöfen und Klöstern seines Frankenreichs an.
Im 18. und 19. Jahrhundert erreichte der Zwetschgenanbau in Franken seinen Höhepunkt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen laut alten Aufzeichnungen auf der Gemarkung Kleinlangheim zwischen 100.000 bis 200.000 Bäume in langen Alleen. Doch nicht nur in Kleinlangheim, sondern in vielen Dörfern im Maintal wurde der Zwetschgenanbau vehement betrieben. Warum gerade in Mainfranken?

Franken und Zwetschgen

eine Win-Win-Situation

Zwetschgen sind an ihren Standort relativ anspruchslos. Auf mageren, sandigen Böden gedeihen sie sehr gut. Diese Eigenschaft war ein Segen für die fränkischen Bauern, die auf ihren Mainsandböden stets nur eine geringe Getreideernte einfahren konnten. Nach den ersten erfolgreichen Pflanzungen und Ernten wuchs der Baumbestand rasch, doch mit strengen Auflagen, die aus landschaftsökologischer Sicht hervorragend waren. So durften die Bäume nur in geordneten Reihen in einem Mindestabstand von 7 m auf den wenig ertragreichen Sandäckern gepflanzt werden und zwischen den Zwetschgenreihen mussten baumfreie Äcker liegen.
Nicht nur die Ertrag bringende Nutzungsmöglichkeit der mageren Sandböden war Grund für die enorme Erfolgsgeschichte der Zwetschge in Franken. Die frischen Früchte mit ihren unverwechselbaren Geschmack waren auf den Märkten in den Städten begehrt. Bis nach Ansbach liefen die Kärrner aus Marktsteft mit ihren Karren voller Zwetschgen um sie dort zu verkaufen. Von großer Bedeutung war auch das Dörren – das Trocknen der Früchte – wodurch die Früchte haltbar gemacht wurden. In den Dörfern der Grafschaft Castell gab es damals kaum ein Haus ohne eine Obstdörre. Mit den gedörrten Früchten konnte ganzjährig erfolgreich Handel betrieben werden. So gingen ganze Schiffsladungen mit getrockneten Zwetschgen nach Holland und ins Vereinigte Englische Königreich.
Aufgrund der hervorragenden Brenneigenschaften des Obstes konnte ein qualitativ wertvolles Produkt – der Edelbrand – hergestellt werden. Manch pfiffiger Zwetschgenbrenner erlangte durch den Handel mit dem hochprozentigen Zwetschgenwasser Haus und Hof. Im Gegensatz zu dem arbeitsintensiven und mühevollen Acker- und Weinbau war der Zwetschgenanbau vergleichsweise einfach zu bewältigen und brachte einen guten Gewinn.
Mit Einschleppung der Reblaus in den Weinbergen, nahm die Anbaufläche der Zwetschge in Franken nochmals zu. Gegen den invasiven Schädling aus Amerika blieb den Weinbauern oftmals nur die Rodung und Aufgabe der befallenen Rebflächen. Um dennoch einen Nutzen aus den Anlagen ziehen zu können, wurden die brachliegenden Weinbergsflächen oft mit den anspruchslosen Zwetschgenbäumen bepflanzt.

Doch dann wurde es still

Nach diversen Frostjahren, der Mechanisierung der Landwirtschaft, Flurbereinigungen, reblauswiderstandsfähigen Propfreben und „Erfindung“ der Kunstdünger nahm die Bedeutung und Anbaufläche der Zwetschge in Franken kontinuierlich ab. In den vergangenen Jahrzehnten kam noch die starke exotische Konkurrenz der Südfrüchte dazu.
So sind von den früheren ausgedehnten fränkischen „Zwetschgenwäldern“ gerade noch 416 Hektar übriggeblieben, die heute in Franken erwerbsmäßig bewirtschaftet werden. In drei fränkischen Maintal-Landkreisen (Kitzingen, Würzburg und Schweinfurt) konzentriert sich über die Hälfte des Erwerbsanbaus der Fränkischen Zwetschge. Größtenteils arbeiten die Betriebe jedoch im Nebenerwerb, da sich ein Haupterwerb aufgrund der aktuellen schwierigen Absatzsituation meist nicht lohnt. Denn leider hat sich um die Zwetschge ein verstaubtes Image als „Obst aus Omas Garten“ gelegt. Doch damit geschieht der Zwetschge ein großes Unrecht, haben die Früchte doch ein vielfältiges Nutzungs- und Vermarktungspotenzial.

Wiederentdeckung einer Köstlichkeit

Um den Dornröschenschlaf der Zwetschge zu beenden, wurde das Projekt „Inwertsetzung der Fränkischen Zwetschge“ ins Leben gerufen. Das Konzept ist Teil der Premiumstrategie für Lebensmittel, mit der das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Absatz hochwertiger regionaler Spezialitäten aus dem Freistaat voranbringen will. Das große Ziel des Projekts ist, den fränkischen Zwetschgenanbau durch neue Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten zu stärken und Zukunftsperspektiven für klein- und mittelständische Betriebe zu schaffen.

Neben den traditionellen Produkten, die von Gastronomen, Brennern, Bäckern und Konditoren aus der Fränkischen Zwetschge hergestellt werden haben sich regionale Vermarkter und Sterneköche ganz besondere Genüsse einfallen lassen. Frage: was ist neben der Handwerkskunst bei der Herstellung die Gemeinsamkeit von Schokolade, Essig und Bratwurst? Richtig – alle Produkte werden durch die Zutat Zwetschge zu ganz besonderen kulinarischen Köstlichkeiten verfeinert.

Würziger Zwetschgen-Rub, knackiger Zwetschgen-Essig, erfrischendes Zwetschgen-Chutney, herzhafte Zwetschgen-Wurst, fruchtiger Zwetschgen-Senf und -Ketchup und ein zwitschernder Zwetschgen-Aufstrich gehören zu dem neuen innovativen Produktportfolio, welches im Rahmen des Projekts erarbeitet wurde. In verschiedenen Verkaufsstellen und auf Feinschmecker-Messen wurden die Spezialitäten von Kunden kritisch unter die Lupe bzw. in den Mund genommen. Die kulinarische Bewertung fiel durchwegs äußerst positiv aus – zur großen Freude der mutigen Initiatoren. Zeigen die schmackhaften Ergebnisse doch, auf dem richtigen Weg zu sein.

Local Heros – Wein und Zwetschge

Mainfranken ist Weinfranken. Unbestritten ist und wird die fränkische Kulturlandschaft vom Weinbau geprägt. Doch neben dem Wein gehört auch die Zwetschge zum kulinarischen fränkischen Erbe. Das zwischen beiden „Local Heros“ kein Erbschaftsstreit, sondern eine einzigartige Symbiose geschaffen werden kann – dafür sind in Franken alle Voraussetzungen gegeben. Die Kombination von Weinbau, Brennereien und Tourismus kann der fränkischen Zwetschge eine facettenreiche kulinarische Zukunft bescheren und die heimische Wirtschaft und die regionalen Erzeuger stärken.

Schatzkammern der Biodiversität

Mit dem Projekt soll ein stärkeres Bewusstsein für die kulturhistorische Bedeutung der Fränkischen Zwetschge geschaffen werden. Denn Zwetschgen-Streuobstwiesen sind wesentlicher Bestandteil der artenreichen fränkischen Kulturlandschaft.
Zwetschgenbäume stellen geringe Ansprüche an den Standort, wobei Böden in warmen und windgeschützten Gebieten bevorzugt werden. Sie wachsen zunächst unter Hochstammbildung stark in die Höhe und bilden spitzpyramidiale Kronen aus. Mit zunehmendem Alter nimmt die Wuchskraft ab. Zwetschgenbäume erreichen eine Höhe von 6 bis 10 m.
Zur Blütezeit im April bieten die vielzähligen Blüten der Zwetschgenbäume nektar- und pollensuchenden Insekten reichhaltig Nahrung. Doch nicht nur blütenbesuchende Insekten, sondern auch eine Vielzahl von Käfern und Spinnen finden in und unter der Rinde und in den Zweigen Nahrung und Lebensraum. Für Vögel und Fledermäuse bieten die Zwetschgen Sitz-, Jagd- und Brutplätze.